Interview von Katharina Leyrer mit Anna Gnyp, Rebekka Reichert
Deutsche Universitäten beherbergen wertvolle Schätze für die Forschung! Es gibt über 1300 universitäre Sammlungen aus unterschiedlichen Fachdisziplinen, mit denen und über die geforscht und gelehrt wird. Die Digitalisierung dieser Sammlungen ermöglicht es, sie für Forschende besser zugänglich zu machen, sie für digitale Forschungsmethoden zu nutzen und nachhaltig zu archivieren.
Auch der Wissenschaftsrat hat betont, dass die Sichtbarkeit und Verfügbarkeit der Informationen zu Sammlungsobjekten, wie z.B. Fotos, 3D-Modelle und strukturierte Beschreibungen der physischen Objekte, großes Potenzial für den wissenschaftlichen Austausch bergen.1 Sammlungen sind damit wertvolle Forschungsinfrastrukturen. Sie bieten speziell für die Wissenschaft aufgebaute Ressourcen und Dienstleistungen: Objekte, deren Dokumentation sowie die Expertise des Fachpersonals. Sie ermöglichen Forschung, Lehre und Nachwuchsförderung. Daher muss die Digitalisierung der Sammlungen hohen Anforderungen gerecht werden.
Um eine hochwertige Digitalisierung umzusetzen und die Sammlungsdaten effizient nachnutzen zu können, sollten daher verschiedene methodische, konzeptionelle, organisatorische und technische Aspekte beachtet werden. Diese können allgemein als Forschungsdatenmanagement (FDM) zusammengefasst werden.
Wie kann SODa hier universitäre Sammlungen unterstützen, ihre Objekte zu digitalisieren und damit sichtbar und zugänglich zu machen? Darüber spricht heute Katharina Leyrer mit Rebekka Reichert (RR) und Anna Gnyp (AG), dem SODa-Fachexpertise-Team für Erschließung und Forschungsdatenmanagement.
RR: Die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlung (KUS) erhebt und ergänzt kontinuierlich Daten zu universitären Sammlungen in ihrem Portal. Aktuell (Stand: August 2024) sind über 1.300 Sammlungen erfasst, die eine Vielzahl von Fachdisziplinen der Universitäten und Hochschulen widerspiegeln. Diese Sammlungen umfassen sehr heterogene Objekte:
Die 500.000 Herbarbelege der Technische Universität Dresden, getrocknete und gepresste Pflanzen auf Blättern, dienen der Identifikation von Pflanzenarten, der Dokumentation ihrer Verbreitung und der Untersuchung von Bestandsveränderungen.
Dem gegenüber steht das Lautarchiv der HU Berlin, das 10.000 historische Tonträger umfasst und als eines der frühesten Schallarchive Europas phonetische und linguistische Interessen verfolgte. Es bietet auch spannende Ansätze für den Umgang mit ethisch problematischen Sammlungen.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass jede Sammlung ganz andere Bedarfe und Herausforderungen bei der Digitalisierung hat und daher ein breites Wissen nötig ist, das über die fachlichen Kompetenzen hinaus geht.
AG: Außerdem sind bislang nur knapp 40% der Sammlungen digital zugänglich.2 Oft gibt es nur an größeren Universitäten dezidierte Sammlungsbeauftragte oder Zentralkustodien, die für die Koordination aller Sammlungen verantwortlich sind. Die personelle und monetäre Ausstattung variiert stark und oft fehlt es an Know-how für die Digitalisierung der Sammlungen. Aufgrund der Vielfalt der Sammlungen und Objekte gibt es keine Universallösung für deren Erschließung. Daher ist individuelle Beratung besonders wichtig, und hier setzt SODa an.
RR: Unser Ansatz nimmt eine besondere Rolle in der FDM-Landschaft ein, weil wir uns gezielt mit universitären Sammlungen beschäftigen. Das ist ein Alleinstellungsmerkmal von SODa. Diese Sammlungen, die in der Forschung und Lehre genutzt werden, sind wertvolle Infrastrukturen und die Digitalisierung dieser Sammlungen ermöglicht viele neue Nutzungsszenarien mit den Forschungsdaten3. Wir unterstützen Wissenschaftler*innen, die mit Sammlungen arbeiten, indem wir sie in allen Fragen der Datenkompetenz beraten und schulen. So tragen wir dazu bei, dass physische Sammlungen digital zugänglich werden und für weitere Forschungen genutzt werden können.
AG: Dennoch möchten wir das Rad nicht wieder neu erfinden: So haben wir uns erst einmal einen Überblick verschafft, welche Ressourcen und Informationen es im Bereich der Sammlungserschließung und des FDM bereits gibt und welche davon nachnutzbar sind bzw. für unsere Zielgruppen angepasst werden müssen. Das Train-the-trainer Konzept des BMBF-Projekts FDMentor bietet hierfür z. B. ein gutes Grundgerüst für das Erlernen von FDM-Kompetenzen.4 Auch die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI),5 insbesondere das Konsortium NFDI4Culture hat bereits Leitfäden publiziert und baut weitere Services aus. Wir sind bestrebt Synergieeffekte zu schaffen und arbeiten deswegen auch in verschiedenen NFDI-Konsortien mit, insbesondere in Arbeitsgruppen von NFDI4Objects. Auch mit den parallel entstandenen Datenkompetenzzentren HERMES und WiNoDa sind wir vernetzt.
Es gibt darüber hinaus zahlreiche FDM-Initiativen von Forschungseinrichtungen, Universitäten und Bundesländern, die teils einen generischen Überblick bieten, teils fachspezifisch ausgerichtet sind. Da Forschungsdaten, je nach Fachdisziplin stark variieren, sind domänenspezifische Datenkompetenzzentren erforderlich. Auch die digitale Erschließung von Sammlungsobjekten sowie die Visualisierung und Analyse der Erschließungsdaten von Sammlungsobjekten erfordert spezielle Lösungen, die generische Angebote nicht abdecken. Andere Initiativen sind wiederum nur auf einzelne Wissenschaftsbereiche ausgerichtet. SODa versteht sich deshalb als Anlaufstelle für alle, die in den Sammlungen bzw. mit deren Objekten wissenschaftlich oder kustodial arbeiten, überregional wie fächerübergreifend.
AG: Wir möchten vor allem unsere Community stark einbinden und versuchen über verschiedene Wege herauszufinden, welche Probleme es gibt und welche Wünsche und Anregungen sich aus ihrer Arbeit mit den Sammlungen ergeben. Wir haben bei unseren Kick-off Veranstaltungen daher auf partizipative Formate gesetzt und konnten so relevante Themenfelder identifizieren. Zum Beispiel wird immer wieder danach gefragt, welche Datenbanken sich für heterogene Sammlungen eignen. Außerdem gibt es einen Wunsch nach mehr Orientierung hinsichtlich geeigneter Normdatenvokabulare und Qualitätsstandards. Gerade Normdaten sind wichtig, um z.B. Personen, Orte oder Themen eindeutig zu beschreiben und so eine Verknüpfung von Informationen zu ermöglichen.
Um diese Bedarfe zu identifizieren, sind weitere partizipative Formate, wie ein zweites Barcamp, eine Summer School und Workshops geplant.
Kürzlich führten die Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen und das Institut für Museumsforschung im Rahmen einer NFDI4Objects Arbeitsgruppe eine Umfrage durch zum Stand der Digitalisierung in Museen und Sammlungen. Auch die Ergebnisse daraus werden in die Entwicklung unserer Angebote für das FDM einfließen. Um unsere Angebote möglichst praxisorientiert und passgenau auf unsere Zielgruppe zu mappen, arbeiten wir auch mit der Persona-Methode. Solche fiktiven Nutzer*innenprofile helfen dabei, uns in die Lage von potenziellen Nutzer*innen zu versetzen und deren Perspektive einzunehmen, damit wir ihre Bedürfnisse besser verstehen können.
RR: In einem ersten Fokusgruppengespräch mit Sammlungsmitarbeiter*innen haben wir durch eine strukturierte Befragung zentrale Herausforderungen und Bedarfe im Bereich der Datenkompetenz ermittelt. Im Mittelpunkt standen Themen wie der effiziente Umgang mit begrenzten Ressourcen, der Wunsch nach praxisnaher Unterstützung und die unterschiedlichen Erfahrungsniveaus im digitalen Datenmanagement. Ein weiteres Fokusgruppengespräch zum Thema Datenmanagementplan ist bereits geplant, um unsere geplanten Ressourcen auf die Bedürfnisse der Teilnehmenden und Sammlungen abzustimmen.
AG: Wir möchten u. a. einen Basiskurs für das sammlungsbezogene Forschungsdatenmanagement entwickeln. Der Kurs beinhaltet sowohl Workshops als auch Material für das selbstständige Lernen. Wir möchten zudem Best Practices zeigen und praxisnahe Veranstaltungen durchführen, z. B. in dem wir unsere Lerneinheiten mit dem geplanten Semantic Coworking Space (SCS) verschränken. In dem online zugänglichen SCS sind mehrere Werkzeuge eingebunden, mit denen die Nutzer*innen ihre Daten bearbeiten können. Sie werden dabei von SODa-Mitarbeiter*innen unterstützt oder können den Coworking Space auch selbstständig nutzen.
Wir möchten durch unsere Formate auch die Vernetzung der Sammlungen untereinander fördern. Mittels einer Kombination aus Wissensvermittlung, praxisorientierten Infrastrukturen, Hilfe zur Selbsthilfe und durch den Aufbau eines Netzwerks sollen die Datenkompetenzen nachhaltig gesteigert werden.
Vielen Dank für diesen spannenden Einblick! Ich wünsche Euch weiterhin gutes Gelingen. Über den Basiskurs und weitere SODa-Angebote halten wir Sie, liebe Leser*innen, hier im Blog und auf der SODa-Website weiterhin auf dem Laufenden.
Wissenschaftsrat (Hg.): „Empfehlungen zu wissenschaftlichen Sammlungen als Forschungsinfrastrukturen“, S. 7., https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/10464- 11.pdf [↑] ↩
Kennzahlen zu wissenschaftlichen Sammlungen an deutschen Universitäten, Koordinierungsstelle für wissenschaftliche Universitätssammlungen,
https://portal.wissenschaftliche-sammlungen.de/kennzahlen/digitization (abgerufen am 22.10.2024) ↑ ↩
Definition von Forschungsdaten der DFG: https://www.dfg.de/de/grundlagen-themen/grundlagen-und-prinzipien-der-foerderung/forschungsdaten (abgerufen am 22.10.2024) ↑ ↩
Biernacka, K., Buchholz, P., Danker, S. A., Dolzycka, D., Engelhardt, C., Helbig, K., Jacob, J., Neumann, J., Odebrecht, C., Petersen, B., Slowig, B., Trautwein-Bruns, U., Wiljes, C., & Wuttke, U. (2021). Train-the-Trainer-Konzept zum Thema Forschungsdatenmanagement (Version 4) [Computer software]. Zenodo. https://doi.org/10.5281/zenodo.5773203 (abgerufen am 22.10.2024) ↑ ↩
Die NFDI hat zum Ziel Forschungsdaten zur Verfügung zu stellen, zu vernetzen und somit langfristig nutzbar zu machen. Daran sind Einrichtungen aus diversen Forschungsbereichen beteiligten. Sie arbeiten an Services, Trainingsangeboten für Forschende und Standards für den Umgang mit Daten. ↑ ↩