FAQ Recht und Ethik

Diese FAQ sind das Ergebnis des Austauschs der Mitarbeiter:innen Katharina Leyrer (KL) und Michael Markert (MM) des Expertisebereichs Ethik und Recht im Datenkompetenzzentrum SODa mit Ratsuchenden und dienen als Unterstützung bei der Entscheidungsfindung.

Urheberrecht

Eigentum und Urheberrecht

Ist es für die Anfertigung von Digitalisaten wichtig, ob mir das Objekt gehört? Darf ich auch von Dingen Digitalisate anfertigen, die ich nur geliehen habe?

Im Allgemeinen haben die Eigentumsverhältnisse keinen Einfluss auf urheberrechtliche Regelungen. Allerdings können Eigentümer:innen den Zugang zu einem Werk verhindern oder in eigenen Vertragswerken wie etwa einem Leihvertrag oder Terms of Use die Anfertigungen von Reproduktionen ausschließen. So ist es prinzipiell erlaubt, gemeinfreie Werke in Museen zu fotografieren und zu veröffentlichen – außer es gibt eine entsprechende Regelung in der Hausordnung, die das Fotografieren nur für private Zwecke erlaubt oder generell verbietet. Urheber:innen behalten dabei immer ihre Urheberpersönlichkeitsrechte (§ 12-14 UrhG), soweit es nicht anders bei Ankauf oder Überlassung vereinbart wurde. Sie haben deshalb auch ein Zugangsrecht für Vervielfältigungen (§ 25 UrhG).

Darüber hinaus gibt es Sonderregeln im Urheberrecht etwa für die Digitalisierung von urheberrechtlich geschützten Werken wie Baukunst und Skulpturen im öffentlichen Raum ohne Einverständnis der Eigentümer:innen – die sogenannte "Panoramafreiheit". Dafür sind allerdings bestimmte Bedingungen einzuhalten: So dürfen bei Bauwerken nur äußere Ansichten auf der Straßenseite reproduziert werden, während man für ein Foto der anderen Gebäudeseite den Innenhof betreten müsste, der im Regelfall kein öffentlicher Grund ist (§ 59 UrhG). (MM)

Recht am eigenen Bild: Porträts und Klassenfotos

Welche rechtlichen Aspekte sind zu beachten, wenn historische Porträts und Klassenfotos digitalisiert und frei zugänglich gemacht werden?

Bei der digitalen Publikation von Porträts und Klassenfotos spielt einerseits das Urheberrecht und andererseits das Kunsturheberrechtsgesetz eine Rolle. Sofern der Fotograf, der die Aufnahme gemacht hat, noch nicht bereits vor über 70 Jahren verstorben ist, hat dieser das Urheberrecht an der Fotografie und muss um Erlaubnis gebeten werden (§ 64 UrhG). Die Personen, die auf der Fotografie abgebildet sind, haben das in Paragraf 22 des Kunsturhebergesetzes festgeschriebene Recht am eigenen Bild, d.h. die Fotografie darf nur mit ihrer Zustimmung publiziert werden. Sind die abgebildeten Personen bereits seit mehr als zehn Jahren tot, greift das Recht am eigenen Bild nicht mehr. Das bedeutet: Ein Klassenfoto aus dem Jahr 1890 kann ohne Bedenken digital publiziert werden, wenn beispielsweise bekannt ist, dass der Fotograf 1949 gestorben ist, da das Urheberrecht in diesem Fall abgelaufen ist und die abgebildeten Personen heute über 130 Jahre alt wären, also wahrscheinlich schon mehr als 10 Jahre tot sind. Deutlich schwieriger ist es, wenn das Klassenfoto beispielsweise aus dem Jahr 1930 oder 1955 ist oder der*die Fotografin nicht bekannt sind. Wenn nicht bestimmt werden kann, ob eine Fotografie durch Urheberrechte oder Persönlichkeitsrechte geschützt sind, empfehlen wir, nur die Metadaten frei zugänglich zu publizieren und auf Nachfrage den Zugang zur jeweiligen Fotografie zu prüfen und gegebenenfalls zu ermöglichen. (KL)

Schöpfungshöhe

Haben Mikrofotografien eine Schöpfungshöhe?

Nach § 2 UrhG sind “Werke im Sinne dieses Gesetzes [...] nur persönliche geistige Schöpfungen.”

Die Frage wäre hier, wie groß der Gestaltungsspielraum bei einer Mikrofotografie ist, bei der viele Bildparameter durch die verwendete Technologie definiert werden. Man könnte daher annehmen, dass vielleicht kein Lichtbildwerk, aber ein geschütztes Lichtbild nach § 72 UrhG entsteht. Die Schutzfrist wäre dann bis 50 Jahre nach Veröffentlichung bzw. 50 Jahre nach Entstehung, wenn zwischenzeitlich keine Veröffentlichung erfolgt ist. Gehen Sie hingegen von einem Lichtbildwerk aus, so reicht die Schutzfrist bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers entsprechend § 64 UrhG. (MM)

Haben Datenbankeinträge eine Schöpfungshöhe?

Daten, verstanden als strukturierte, formalisierte Informationen, genießen keinen Urheberrechtsschutz, da eine persönliche geistige Schöpfung im Sinne des Urheberrechts nach § 2 Urhg einen individuellen Gestaltungsspielraum voraussetzt. Dieser ist beim Ausfüllen eines Formulars mit festgelegten Feldinhalten oder vordefinierten Begriffslisten in einem Inventarisierungssytem in der Regel nicht gegeben. Werden allerdings freitextliche Angaben als Fließtext gemacht – etwa eine Bildbeschreibung oder Künstler:innenbiographie formuliert – so wird die Schöpfungshöhe erreicht und es müssen für eine Veröffentlichung von den Autor:innen Nutzungsrechte (vgl. auch Absatz #Nutzungsrechte) eingeräumt werden. (MM)

Veröffentlichung von DDR-Werken (Briefmarken und Ersttagsbriefe)

In unserer Sammlung gibt es ein Konvolut Ersttagsbriefe aus der DDR, in den 1970er Jahren ausgegeben. Diese möchten wir gern in unserem Sammlungsportal publizieren.

Selbst wenn Briefmarken und Ersttagsbriefgestaltungen in der DDR nicht geschützt gewesen sein sollten, erreichen sie in der BRD rückwirkend Schöpfungshöhe, da ausgehend vom Einigungsvertrag "Werke, die nach dem Urheberrecht der DDR nicht schutzfähig waren, nunmehr geschützt sind." (Deutscher Bundestag, Drucksache 12/7489)

Einer älteren Übersicht von 2011 zufolge tendierte die Rechtssprechung der Bundesrepublik Deutschland zur Einordnung der Briefmarke als amtlichem Werk (vgl. etwa https://www.rechtambild.de/2011/06/urheberrechtsschutz-von-briefmarken/), damit hätte sie nach § 5 UrhG zwar eine Schöpfungshöhe, wäre aber nicht urheberrechtlich geschützt. In einem Rechtsstreit im selben Jahr zwischen der Erbin von Vicco von Bülow und Wikipedia zur Reproduktion von Markenmotiven von Loriot allerdings wird das verneint (LG Berlin, Beschluss vom 06.10.2011 - 15 O 377/11, Abschitt 21).

Man kann diese Einschätzung auf den ganzen Ersttagsbrief erweitern, er wurde wie die Marke(n) von der Deutschen Post der DDR herausgegeben und enthält (meist) Motive mit Schöpfungshöhe. Es bestehen in dieser Perspektive also an den Marken wie auch dem Ersttagsbrief als 'Unterlage' derselben Urheberpersönlichkeitsrechte und eine Veröffentlichung von Reproduktionen setzt eine Nutzungsrechteeinräumung voraus.

Weiterhin kann ein DDR-Postprodukt als ein nicht verfügbares Werk betrachtet werden, also eines, "das der Allgemeinheit auf keinem üblichen Vertriebsweg [etwa im Handel als Neuware oder als Anfertigung einer Werkstatt] in einer vollständigen Fassung angeboten wird." (§ 52b VVG) Entsprechend fände hier § 61d UrhG Anwendung, was die Veröffentlichung solcher Werke durch Kulturerbe-Institutionen erleichtert und ggf. mit den jährlichen Kosten einer Lizenzierung durch eine Verwertungsgesellschaft verbunden ist. Dafür sind anders als im Falle der ebenfalls veröffentlichungsfähigen "verwaisten Werke" (§ 61 UrhG) bei nicht verfügbaren Werken keine aufwändigen Recherchen der Urheber:innen und der Dokumentation derselben nach § 61a UrhG nötig.

Es ist dabei davon auszugehen, dass die Urheber:innen künstlerisch gestalteter Vorlagen für Briefmarkenmotive als Angehörige der Berufsgruppen I (z. B. Maler:in, Architekt:in) und II (z. B. Fotograf:in, Illustrator:in) im Sinne des Wahrnehmungsvertrags der VG Bild-Kunst betrachtet werden müssen und diese Verwertungsgesellschaft die Vertretung übernimmt. Dafür erfolgt auf Antrag durch die Kulturinstitution an die VG Bild-Kunst eine Registrierung des Werks im EUIPO(European Union Intellectual Property Office)-Portal mit einer anschließenden, 6-monatigen Widerspruchsfrist der Urheber:innen. Danach ist eine Online-Veröffentlichung zur Bestandsdokumentation entsprechend den "Internet-Tarifen" der VG Bild-Kunst möglich.

Das Prozedere ist auf der Webseite der DDB zur Digitalisierung nicht verfügbarer Werke nachzulesen. (MM)

Bildrechte bei restituierten Objekten

Von einem Objekt wurde ein Digitalisat angefertigt. Zu einem späteren Zeitpunkt wird das Objekt an seine rechtmäßigen Eigentümer*innen restituiert. Behält die Sammlung nach der Restitution die Rechte an bereits erstellten Digitalisaten? Was passiert, wenn das Digitalisat unter einer CC-Lizenz veröffentlicht wurde, die rechtmäßigen Eigentümer*innen nicht mit der CC-Lizenz einverstanden sind?

Der Eigentumswechsel ändert nichts an den Reproduktionsrechten für bereits erstellte Bilder und Digitalisate, d.h. die Sammlung, in der das Objekt digitalisiert wurde, behält auch nach der Restitution die Rechte an den Digitalisaten, die sie erstellt hat. Hier ist zu prüfen, ob auch aus ethischer Perspektive der Verbleib der Digitalisate in der Sammlungen vertretbar ist, beispielsweise im Kontext von secret / sacred objects.

CC-Lizenzen sind unwiderruflich, d.h. eine CC-Lizenz am bereits veröffentlichten Werk bleibt auch bestehen, wenn die rechtmäßigen Eigentümer*innen nicht mit der CC-Lizenz einverstanden sein sollten (vgl. CC-FAQ). (KL)

Nutzungsrechte

Nutzungsrechte an Werken von Mitarbeiter:innen

Wer hat die Nutzungsrechte an Mikrofotografien, wenn der Urheber ein haushaltsfinanzierter Mitarbeiter einer Universität ist, die Aufnahmen in der Dienstzeit an Geräten der Universität angefertigt wurden?

Nach § 31 Abs. 1 UrhG ist eine Einräumung von Nutzungsrechten für “andere” und damit auch für den AG bzw. die Institution möglich, aber auch nötig. Ggf. ist die Einräumung aus dem Arbeitsvertrag ableitbar § 43 UrhG, wenn die Erstellung von wissenschaftlichen Fotografien zu den Kernaufgaben der Mitarbeiter:in gehört und das etwa in der Arbeitsvorgangsbeschreibung benannt wird. Das ist vermutlich eher bei technischem Personal der Fall. Grundsätzlich handelt es sich aber um nicht-exklusive Nutzungsrechte, d. h. es könnte keine eigenständige Lizenzierung oder Vergabe von Nutzungsrechten etwa durch einen Sammlungskustos oder Forschende z. B. bei einer Veröffentlichung erfolgen. Auch wären ‘neue’ Nutzungsarten ohne gesonderte Vereinbarung vermutlich nicht abgedeckt (vgl. § 31 Abs. 5 UrhG) – etwa dürfte bei Fotografien aus den 1990er Jahren bei der Tätigkeitsbeschreibung eine Printveröffentlichung mitgedacht worden sein, nicht aber eine digitale Portalausspielung. (MM)

Übertragung von Nutzungsrechten an die eigene Institution

Ich möchte Kollegen, die zumal in absehbarer Zeit in den Ruhestand gehen, davon "überzeugen", ihre Digitalisate geordnet zu übergeben.

Das ist ratsam, denn sonst ist wahrscheinlich keine weitere Nutzung von deren Arbeit ohne Verletzung von Rechten möglich. Empfehlen könnte man standardisierte Nutzungsvereinbarungen mit allen Fotograf:innen, die die Übertragung exklusiver Nutzungsrechte an die sammelnde Institution enthalten. Alternativ könnten die Rechteinhaber:innen dabei unterstützt werden, selbst alle entsprechenden Abbildungen unter einer geeigneten Lizenz – wie CC-BY 4.0 – zu publizieren – etwa in einem Forschungsdatenrepositorium ihrer Hochschule. In diesem Fall wären alle Interessent:innen – inklusive der Urheber:innen – völlig frei in den Möglichkeiten der Nachnutzung, solange eine Namensnennung erfolgt. (MM)

Rückübertragung von Nutzungsrechten von einem Verlag

Was ist mit Nutzungsrechten von Abbildungen, die im Rahmen einer Veröffentlichung an den Verlag abgegeben wurde. Gibt es einen Zeitraum, nachdem grundsätzlich die Nutzungsrechte zurückfallen? Denn es gibt bei unseren Veröffentlichungen kein Honorar und die Abbildung sind Steuermittel-finanziert.

Das ist zwar richtig, aber da alle Bildurheber:innen ohne anderweitige Vereinbarungen mit Dritten auch Inhaber:innen des exklusiven Nutzungsrechtes an ihren Abbildungen sind, entscheiden sie auch über die Verwendungsmöglichkeiten. Hier kommt es auf das Vertragswerk mit dem Verlag an – mutmaßlich wurde wie in solchen Verträgen üblich dem Verlag ein exklusives Nutzungsrecht nach § 31 Abs. 3 UrhG eingeräumt und damit haben auch die Bildurheber:innen selbst kein Nutzungsrecht mehr. Die Schutzfrist entspricht dem üblichen gesetzlichen Rahmen, d. h. 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers für Lichtbildwerke nach § 64 UrhG bzw. 50 Jahre nach Veröffentlichung im Falle von Lichtbildern nach § 72 UrhG. Eine Nutzung der Abbildungen durch Sie oder Dritte müsste entsprechend individuell mit dem Verlag vereinbart werden. (MM)

Online-Veröffentlichung

Musikwerke aus anderen Ländern

In unserer Sammlung haben wir musikalische Werke aus anderen Ländern, die inzwischen größtenteils nicht mehr verfügbar sind. Wir wollen die Aufnahmen nun online veröffentlichen, auch um sie in den Herkunftsländern zugänglich zu machen. Ist dafür die GEMA zuständig?

Im Regelfall vertritt die GEMA über Gegenseitigkeitsverträge mit den Verwertungsgesellschaften anderer Länder (derzeit 152) dort veröffentlichte Werke, s. "Gegenseitigkeitsverträge". Das ist geregelt in § 61d UrhG und § 52 VVG. Die je aktuelle Liste der Gegenseitigkeitsverträge und sonstiger (unilateraler) Vertragswerke findet sich im jeweils aktuellen GEMA-Jahrbuch.

Einige wenige Länder haben bisher keine Gegenseitigkeitsverträge und dort veröffentlichte Werke gehören demnach auch nicht zum GEMA-Repertoire. Sollte die Veröffentlichung in einem der im Jahrbuch gelisteten Länder erfolgt sein, so kann man über den GEMA-Preisrechner die entsprechenden und für nichtkommerziell agierende Kulturinstitutionen verhältnismäßig niedrigen Gebühren für eine Online-Veröffentlichung bestimmen. (MM)

Machine Learning, Künstliche Intelligenz

Automatisierte Transkription durch Dienstleister:in

Wir wollen für unsere Provenienzforschung Dokumente aus unserem Sammlungsarchiv automatisiert transkribieren lassen und dafür auf einen Dienstleister zurückgreifen. Sollten wir dabei etwas beachten?

Die Ergebnisse automatischer Transkription mit Machine-Learning-Modellen sind inzwischen sehr überzeugend und können eine große Arbeitserleichterung sein. Dass liegt aber vor allem am umfangreichen Datenpool, der in die entsprechenden Modelle als Trainingsdaten eingeflossen ist. Oft enthalten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel, die die Verwendung der angelieferten Bilddateien für das unternehmensinterne Training der Systeme erlaubt.

In vielen Fällen ist das sicherlich unproblematisch. Allerdings können in den Dokumenten datenschutzrelevante Informationen zu noch lebenden oder jüngst verstorbenen Personen enthalten sein. Diese sollten vor der Datenweitergabe ausgefiltert werden, weil die Datenhaltung und damit auch die Frage etwa von Verstößen gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) dann nicht mehr in der eigenen Hand ist. (MM)

Vereinbarungen mit Nutzer*innen

Welche Aspekte sind zu beachten, wenn Verträge und Vereinbarungen mit Nutzer*innen über die Verwendung von Digitalisaten von Objekten formuliert werden?

Hier ist zu empfehlen, anhand von Nutzungsszenarien zu überlegen: Was ist das Interesse der Sammlung (bzw. des Instituts oder der Universität, die die Sammlung betreibt)? Was ist das Interesse der Nutzer*innen? Daraus kann abgeleitet werden, welche Rechte und Pflichten festgeschrieben werden sollen. Diese können zunächst in Alltagssprache formuliert werden. Festgelegt werden kann zum Beispiel, dass Nutzer*innen, die Objekte digitalisieren, indem sie Fotografien anfertigen, der Sammlung diese Fotografien zum Zweck der Sammlungsdokumentation zur Verfügung stellen (KL).

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